Mein Anderer Dienst im Ausland (ADiA)

(2016) Da es mittlerweile keinen Pflichtdienst mehr gibt ist der Teil zum Administrativen auf deutscher Seite mittlerweile überholt. Ich vermute, dass sich auch auf der Camphill Seite sehr viel geändert hat. Use with care…

Was ist das? Link to heading

Der ADiA ist ein Zivilersatzdienst und dauert 2 Monate länger als der normale Zivildienst, also damals 13 Monate. Er muss freiwillig und unentgeldlich abgeleistet werden. Außerdem wird nur ein vollständig abgeleisteter Dienst anerkannt. Im schlimmsten Fall — der Dienst wird nicht anerkannt, weil man beispielsweise nur 11 Monate dort war — muss man den Zivildienst nochmal machen. Man wird also während der Zeit nur zurückgestellt und hinterher „erlischt die Pflicht Zivildienst zu leisten“ (so mein Bescheid :). Auch ein Wechsel der Dienststelle geht nur in begründeten Ausnahmefällen, zu denen „ich will hier wech“ nicht gehört.

Wo kann man das machen? Link to heading

Um einen ADiA leisten zu dürfen muss man sich an eine anerkannte Organisation wenden, die so einen Dienst durchführen kann. Dies sind in den meisten Fällen Kirchen, die meistens aber leider nur eine Stelle zu vergeben haben. Es gibt aber auch einige andere Organisationen, bei denen mehrere Stellen vergeben werden. Eine davon sind die „Freunde der Erziehungskunst Rudolph Steiners“, mit denen ich das ganze gemacht habe. Die komplette Liste gibt es in Berufs Informations Zentrum (BIZ) auf den Seiten vom Bundesamt für Zivildienst.

Bewerbung Link to heading

Der Ablauf ist wahrscheinlich bei jeder Organisation anders. Ich hatte damals auch bei Kirchen angefragt und dort wurde meistens als Voraussetzung „Erlernen der Sprache“ (in den meisten Fällen Hebräisch) und aktive Mitarbeit in der Kirchengemeinde angegeben. Da das bei mir nicht gegeben war hab ich mich nach dem weiteren Vorbereitungen nicht mehr erkundigt. Da dort sowieso meistens nur eine Stelle zu besetzten war und die meist nur an Leute aus dem eigenen Kirchenkreis hab ich mich dann an die „Freude“ gewannt, bei denen der Ablauf etwas anders aussieht.

Freunde der Erziehungskunst Rudolph Steiners Link to heading

Die Freunden sind ein Waldorf Schulen naher Verein, über den man sich entsprechende, auf den Grundlagen Rudolph Steiners basierende, Stellen „suchen“ kann. Man bekommt eine Liste mit schon einmal besetzten Stellen zugesandt und kann sich dort bewerben. Auch neue Stellen sind möglich, es wird dann versucht diese Stelle beim Bundesministerium anzumelden. Wird man von einer Stelle genommen, dann geht man damit zu den Freunden und die organisieren den Rest — gegen Bezahlung der Versicherung und Verwaltungskosten. Das ganze kostet also…

Bewerbung Link to heading

Mir wurde damals von den Freunden eine Liste der schon einmal besetzten Stellen zugesandt (neue sind aber auch möglich) und bei den Stellen habe ich mich dann beworben. Da dieses sicher jetzt anders läuft verweise ich an dieser Stelle nur auf die Überblicksseite zum Freiwilligendienst der Freunde. Dort sind auch die Infos zur genauen Bewerbung verknüpft.

Grob gesagt kann man sich für zwei verschiedene Typen an Stellen bewerben: Camphill und nicht Camphill. Ich hab mich damals für Camphill entschieden. Camphill bedeutet grob gesagt, das man mit Behinderten lebt und für sie sorgt. Die anderen Stellen sind meistens Stellen an Walldorf-Schulen. Über Camphills kann man sich unter www.camphill.org.uk informieren. Auch in Deutschland gibt es Camphills.

Tipp: Camphills brauchen immer Leute, also nicht um eventuelle Fristen kümmern, Stelle raussuchen, die einem gefällt und anfragen.

Bewerben musste ich mich damals mit allerlei Brimborium: Medizincheck, polizeiliches Führungszeugnis und Referenzen, sowie einem etwas längeren Fragebogen zu meiner Motivation. Die ersten drei sind, so weit ich weiß, in Großbritannien und auch anderswo vom Staat vorgeschrieben.

Nachdem man bei einem Camphill genommen wurde geht man mit dem Vertrag zu den Freunden und wird dann zu einem verpflichtenden Vorbereitungsseminar eingeladen, auf dem Ehemalige erzählen, wie es ihnen so ergangen ist. Auf diesem Vorbereitungsseminar wurde mir zum ersten Mal bewusst, worauf ich mich da eingelassen habe. Außerdem wird einem noch etwas zu den Formalitäten erzählt.

Die ganze Bewerbung kann man aber ohne Probleme innerhalb von wenigen Wochen über die Bühne ziehen und das geht auch noch bis wenige Wochen vor dem Antritt der Stelle. Vorher anfangen ist natürlich sehr viel besser, dann bekommt man keinen Stress und kann in aller Ruhe eine Stelle aussuchen.

Kosten Link to heading

Ich musste damals (1999 / 2000!) rund 1000 DM an Versicherung und nochmals 500 DM an Verwaltungskosten bezahlen. Für das Vorbereitungsseminar kamen nochmal 150 DM dazu. Das Camphill hat hiervon (erstmal) nichts übernommen!

Seit einiger Zeit muss man das anscheinend nicht mehr so direkt an die Freunde zahlen, sondern die Freunde erwarten von dir, bzw einem von dir organisierten Spenderkreis, eine Spende in Höhe von 1500 – 2400 Euro, die die Kosten für Versicherung und Verwaltung decken soll. Da ich diese Prozedur damals nicht mitmachen musste kann ich dazu auch nicht mehr sagen.

Seit 01.01.2002 wird auch das Kindergeld für die Zeit des Dienste weiter bezahlt.

Camphill Link to heading

Ich war in der Camphill Community Glencraig (Das liegt in Nord Irland, östliche von Belfast, direkt am Belfast Loch), kann also nur darüber berichten. Champhill ist eine „Bewegung“, die auf den Erkenntnissen Rudolph Steiners beruht. Camphill wurde während des zweiten Weltkrieg von Karl König, einem Östereichischen Doktor, und seinen Studenten in Camphill House (daher der Name) in der nähe von Aberdeen/Schottland gegründet. Inzwischen gibt es in der ganzen Welt Camphills.

Der wichtigste Punkt ist, das man mit Behinderten zusammenlebt und das ganze nicht als „Arbeit“ auffasst. Die Behinderten sollen als Menschen behandelt und respektiert werden und nicht als Kranke.

„Zusammenleben mit Behinderten“ Link to heading

Im Camp sind alle Arten von Behinderung anzutreffen, das reicht von „Autisten“ (Das Cliche der „guten Rechner“ ist ziemlich falsch!) bis „Down-Syndrom“. Da man sie nicht als „krank“ sehen soll wird einem aber meist nur das nötigste über die Krankheit erzählt. Mit diesen „Einwohnern“ und anderen Coworkern, sowie Hauseltern und ihren Kindern lebt man dann in einem Haus. Zusammenleben ist so gemeint, wie es heisst: Man steht morgends mit ihnen auf, isst mit ihnen und verbringt den Tag zusammen. Das ganze heisst aber auch, das man ihnen wärend des ganzen Tag hilft, diesen zu meistern. Das fängt beim Aufstehen an und hört beim Essen noch lange nicht auf.

Während des Tages sind die Kinder in einer Schule und die Erwachsenen in den Workshops (Farm, Weberei, Wäscherei, etc.). Auch hier hilft man den Einwohnern wieder oder packt selbst an. Man hat also den ganzen Tag zu tun, ganz für sich alleine ist man fast nie: man lebt zusammen.

Das Camphill kann man sich als Dorf vorstellen, das nächste Haus war jeweils nur ein paar Schritte weg, die Workshops mitten drin verteilt. In einem Haus haben meist rund 10-15 Leute gewohnt. In meinem Fall waren wir 7 Kids, meist 5 Coworker und eine Hausmutter. Die Coworker haben meist ein bis zwei Einwohner in ihrem „Dormitory“, für die sie verantwortlich sind. Ein Coworker war meist Replacer und hat den jeweiligen Coworker an seinem Day Off abgelöst. Die Hausmutter hat die Aufgabe das Haus zu organisieren.

Die Coworker kommen aus aller Welt, aber insbesondere aus Deutschland. „Richtiges“ irischen Englisch hab ich keins gelernt, weil einfach keiner da war, mit dem man das sprechen konnte (mal von meinem Kind abgesehen). Dafür gabs jede Menge Schulenglisch, was zum richtigen Lernen natürlich nicht sooo gut ist. Anderen Dienst im Ausland hat nur noch ein anderer Coworker gemacht, der Rest hat das ganze als ein Art „Orientierungsjahr“ eingeschoben. Dementsprechend waren die meisten Coworker Coworkerinnen.

Ich hatte zwei Kinder in meinem „Dormitory“, wenn auch nicht die ganze Zeit. Angefangen habe ich mit nur einem Kind, ab den Herbstferein kam dann ein zweites mit dazu. Ab Ostern hatte ich dann nur noch das zweite zu betreuen. Das erste Kind war 17, auch wenn man das nicht gesehen hat, und teilweise auf einer Seite gelähmt. Das andere war hyperaktiv und damit das totale Gegenteil. Die anderen Kinder in unserem Haus waren fast genauso unterschiedlich.

Arbeitszeiten Link to heading

Hier mal ein Tagesablauf von mir, aus der Zeit, wo ich zwei Kinder zu versorgen hatte:

Uhrzeit Aktivität
06:55 Uhr Aufstehen.
07:15 Uhr Ein Kind wecken, waschen, Windeln wechseln, anziehen. Dazwischen: das andere wecken.
07:45 Uhr Morning circle: ein Spruch wird zusammen gesagt und „Guten Morgen“ gewünscht. Danach Frühstück.
08:30 Uhr Ein Kind die Zähne putzen, das andere dazu überreden…
09:00 Uhr Kinder in die Schule, dann eine Stunde ausruhen.
10:00 Uhr Selbst in die Schule.
12:30 Uhr Kinder aus der Schule abholen.
13:00 Uhr Mittagessen.
14:00 Uhr Zähneputzen, Windeln wechseln, Mittagsschlaf für die Kids.
14:30 Uhr Schule.
16:00 Uhr Schule aus, Kids versorgen, was mit den Kids unternehmen.
18:00 Uhr Eveningcircle, danach Abendbrot.
19:00 Uhr Erste Kind ins Bett (Ausziehen, waschen, Windeln).
20:00 Uhr Anderes Kind ins Bett bringen.
20:30 Uhr Fertig.

Außerdem hatte man noch Aufgaben im Haus zu erledigen (Zusammen mit einem Kind Essen machen, Putzen, Waschen). Am Samstag Vormittag war Haus putzen angesagt und am Sonntag Kirche.

Geld Link to heading

Als Taschengeld hab ich jeden Monat 100 Pfund bekommen (etwa 150 Euro) und noch 450 Pfund Reisegeld, weil ich ein Jahr da war.

Erfahrungen Link to heading

Mitte Juli 2000 bin ich nach Nordirland in die Camphill Community Glencraig geflogen und hab dort die ersten zwei Wochen als Shortstayer verbracht. Shortstayer sind meist ueber die Sommerferien da und helfen im Garten und im Haus aus, sind also nicht so in die Arbeit mit den Einwohnern intgriert. Danach haben wir dann das Haus fertig gemacht fuer die Kinder. Bis dahin war es noch ein „nettes Leben“. Die Kinder sind dann in der zweiten Augustwoche aus den Ferien zurück gekommen.

Am Anfang war es erstmal Hammer, man wird ins kalte Wasser geworfen. Es gibt zwar einen Einführungskurs, aber der behandelt eher die Theorie. Der Rest ist „learning by doing“ oder wird einem von anderen gezeigt, die schon etwas länger da sind. Da man die Kinder auch noch nicht kennt, tanzen die einem teilweise auf dem Kopf rum. Am Anfang war ich auch den Tagesablauf noch überhaupt nicht gewöhnt und lag Abends nur todmüde im Bett.. Dazu kommt noch die Umstellung mit „solchen Menschen“ zusammen zu leben. Am Anfang ist Windeln wechseln, Sabber abwischen, und die Essgewohnheiten einiger, sicher ein kleiner Kulturschock, zumindest war es das für mich.

Auch die Eigenheiten der Einwohner könne einen ganz schon „überraschen“: Ein Autist kann bei Stress ziemlich aggressiv werden. Oder auf etwas so fixiert sein, dass man von der Kraft eines 14 Jährigen Mädchen gehörig überrascht ist: auch Lederschuhe sind zu zerreißen, Messer sind dafür natürlich ungleich besser geeignet…

Auch die Erziehung ist etwas anders als man es gewöhnt ist. Druck auszuüben ist praktisch nicht erlaubt, was einige Kinder schnell raus haben und dann mit einem machen, was sie wollen. Wer hier nicht Ruhe ausstrahlen kann und in einer solchen Situation die Kontrolle über sich selbst verliert, hat schnell ganz verloren. Bei Ausrastern soll nur eingegriffen werden, wenn andere zu Schaden kommen können. Ansonsten heißt es „hinterher sauber machen“.

Durchhänger Link to heading

Nach einiger Zeit wurde die Arbeit dann teilweise eintönig, weil man jeden Tag das selbe macht. Das ist so gewollt, da insbesondere die autistischen Einwohner sehr viel ruhiger sind, wenn ihr Leben in bestimmten Bahnen verläuft. Daher auch die Morgen- und Abendkreise. Das artet dann manchmal in einer richtigen Durchhänger aus, in der man das Gefühl hat, das einem alles über den Kopf wächst und von allem zu viel hat.

Auch hat man immer jemanden um sich rum. Zurückziehen ist eher nicht möglich, und wenn dann nur nach der Arbeit. Alleine „vor sich hin machen“ geht nicht.

Auf der anderen Seite ist es ein richtiges Erfolgserlebnis, wenn der kleine Racker endlich mal was gelernt hat, z.B. bei einem Wutanfall nicht mit Sachen um sich geworfen hat oder aus dem Haus gelaufen ist. Die kleinen Dinge machen’s. Je besser man seine „Dormitory children“ kennt, desto mehr erreicht man bei und mit ihnen. Und umso mehr kann man dann mit ihnen machen.

Interessant wird es, wenn man mit den „kleinen Rackern“ zusammen ausgeht, sei es abends ins Theater oder am Nachmittag zum Einkaufen. Dort wird einem richtig bewusst, wie anders das Leben „dort draußen“ ist. Man wird angeglotzt für Dinge, die einem schon gar nicht mehr auffallen.

Freizeit Link to heading

Freunde findet man ziemlich leicht. Überall ist man mit Coworkern zusammen, im Haus, in der Schule/Workshop oder wenn man mit seinen Kindern an den Strand geht. Zu erzählen hat man sich auch immer was, hier eigenen sich die kleinen Anekdoten aus dem Alltag („Du hättest sie mit dem Schuh im Mund sehen sollen, oder nachdem sie ihre Bettdecke gefetzt hat.“) bestens. „Gossip“ (Tratsch) gibt’s auch überall und ist sehr schnell rum. Zum nächsten Haus sind es auch nur ein paar Schritte und eine Tasse Tee gibt’s überall. Von außerhalb des Camphills hab ich allerdings niemanden kennengelernt, da man am Abend nicht so oft die Zeit hat nochmal richtig wegzugehen. Das mag in anderen Camphills aber anders sein.

Abends weggehen konnte man bei uns ganz gut, zum nächsten Pub waren es 5 Minuten mit der Bahn, Belfast oder Bangor waren 15 min weg.

Day Off Link to heading

Am Day Off hatte man dann die Möglichkeit zum Einkaufen und sonstigen Erledigungen. Meistens habe ich bis Mittag geschlafen um wenigstens einmal in der Woche ausgeschlafen zu sein. Da man aber mit den Kindern Tür an Tür wohnt kann es passieren, dass man schon morgens um 7 Uhr geweckt wird, weil die Kids wieder durchs Haus jagen mussten Oder mitten in der Nacht der marode Feueralarm losgeht. Ich hatte zum Glück einen sehr festen Schlaf, das ich sogar das überschlafen habe :).

Andere sind aber auch an ihren Day Offs durch NI gefahren und haben sich die Gegend angesehen. Da ich für solche Kulturtrips eher nicht zu begeistern bin, hab ich auch von Irland nicht so viel gesehen. Die kinderlose Zeit habe ich lieber zum Lesen genutzt.

Geld Link to heading

Für mich haben die 100 Pfund monatlich für das tägliche Leben gereicht. Allerdings hatte ich den Vorteil, das ich Bier nicht mag und deswegen in den Pubs immer gut weggekommen bin. Da man wenig Freizeit hat, gibt man automatisch weniger Geld im Monat aus. Zusammen mit den 450 Pfund „Travelmoney“ des Camphills konnte ich damit ganz behaglich meine Day Offs verbringen.

Insgesamt sind damit bei mir am Ende 2000 Euro an Ersparnissen für das Jahr „draufgegangen“. Darin enthalten sind die Versicherungs- und die Verwaltungskosten der Freunde (800 Euro), einmal der normale Hinflug (300 Euro) und zwei weiterer Hin und Rückflüge (Bewerbungsgespräche in Deutschland für die Zeit nach dem ADiA), die auch heftig zu Buche geschlagen haben. Dazu dann noch die Heimreise.

Dank Ryanair und Konsorten würden heute vor allem die Flüge mit wesentlich weniger zu Buche schlagen: Frankfurt Hahn nach Belfast und zurück kostet ca. 140 Euro. Allerdings weiß ich da nicht, ob man dort auch mit 20kg Übergepäck (Rückreise…) durch den Check-In kommt. :)

Probleme Link to heading

Leider muss ich auch sagen, das ich während meiner Camphill Zeit einigen Frust geschoben habe. Dieser kam vor allem daraus, das ich mich mit vielen Dingen, die im Camphill Gang und Gebe sind nicht so recht anfreunden konnte. Die Aufgeführten Punkte hier sind sehr subjektiv, andere hatten damit keine Probleme oder haben es einfach hingenommen. Ich konnte mich darüber aber manchmal richtig aufregen.

Frust… Link to heading

Camphill basiert auf zwei Dingen: den Lehren Rudolph Steiner und Karl König, dem Gründer des ersten Camphills. Die Grundeinstellung ist seitdem kaum verändert. Änderungswünsche werden teilweise mit „Wir haben mehr Erfahrung“ oder „Steiner hat gesagt…“ (Wobei einige meinten, dass das Steiner doch öfter eine andere Meinung dazu gehabt hätte.) einfach abgetan. Das führt meistens dazu, das man sich noch weniger mit der Situation anfreunden kann und dann noch mehr Frust schiebt. Während meiner Zeit gab es einige Bestrebungen daran was zu ändern, aber getan hat sich zu meiner Zeit nichts mehr.

Von den älteren Coworkern wird das nicht als Freiwilligendienst angesehen, sondern man hat sich für einen Zeitraum dem Camphill verpflichtet und das Camphill gewährt einem die Möglichkeit dort diese Erfahrung zu machen. Es wird erwartet, das man diese Zeit komplett für sein Haus da ist, time off (bis auf den Day Off) gibt es eigentlich nicht. Da jedes Jahr die junge Coworker fast komplett gehen und neue kommen wird an deren „Arbeitsbedingungen“ eher nichts geändert. Auf der anderen Seite kommen aber immer weniger junge Leute um dort zu arbeiten (Wer will in der heutigen Zeit schon 14 Stunden, 6 Tage die Woche freiwillig arbeiten?), so dass man im Haus noch mehr Arbeit hat. Ein Teufelskreis…

…und was daraus geworden ist Link to heading

Andere mögen mit der generellen Einstellung gut zurecht kommen und damit nicht in Konfrontation mit den Leuten dort geraten. Ich konnte mich darüber leider des Öfteren einfach nur aufregen und es hat sich zum Ende hin einiges an Frust aufgebaut.

Wenn ich jetzt allerdings auf das Jahr zurückblicke (mit einem Jahr Abstand), dann waren es aber auch gerade diese Erfahrungen, die mir am meisten gebracht haben, bei denen ich am meisten über mich gelernt habe. Sich mit so einer Situation abzufinden und das Beste draus zu machen und das bis zum Ende durchzuziehen war es für mich wert.

Allerdings habe ich auch schon von einem Camp gehört, in dem das ganze wesentlich liberaler war und man mehr Freiheiten hatte.

Fazit Link to heading

Im Camphill lernt man ein ganz anders Leben kennen. Man lernt für jemanden anderes da zu sein und sich auf ihn einzustellen. Die Einstellung zu den Behinderten ist nach wenigen Tagen eine komplett andere: Vorher sieht man nur die Behinderung, jetzt aber all das, was diesen Menschen auch noch ausmacht. Alle seine Eigenheiten, von den weniger schönen bis zu den echt netten.

Am Ende meiner Zeit war ich dann aber echt froh wieder aus dem Camp rauszukommen. Daran war unter anderem mein Kind schuld, der am letzten Tags seinen größten Ausraster bekommen hat, aber auch das, was ich unter Probleme und Frust geschildert habe.

Wieder zu Hause… Link to heading

Die Umstellung danach ist gewaltig: Aus dem bis ins letzte geregelten Arbeitstag, der immer gleich ist, in die Problemchen, die mit einem Studium anstehen. Vorher hat man alles vorgesetzt bekommen, vom Essen angefangen, bis zu wie man nach seinen Dormitories schauen soll, jetzt darf man wieder alles selber machen. Die Probleme sind plötzlich ganz andere und vor allem wieder die eigenen.

In der Zeit danach (3 Monate nachdem ich wieder zu Hause war) habe ich mich etwas zum Camphill zurücksehnt. Einfach nur tun, was einem vorgesetzt wird ist manchmal eben doch das einfachste. Außerdem sind die meisten negativen Erfahrungen etwas in den Hintergrund getreten, die positiven Erinnerungen mehr in den Vordergrund.

Letztendlich kann ich aber sagen, das sich das ganze echt gelohnt hat. Die Erfahrungen, die ich dort gemacht habe hatte ich sicher nicht im normalen Zivildienst gemacht.

Ein Jahr später… Link to heading

Im Sommer 2002 bin ich zusammen mit zwei anderen ehemaligen Coworkerinnen „zu Besuch“ nochmals für eine Woche ins Camphill gefahren. Der Unterschied war gewaltig: Die ganze Umgebung ist zwar noch die selbe und ich hab mich fast wie „zu Hause“ gefühlt, aber dennoch ist fast alles ganz anders: die Kids haben sich weiterentwickelt und die ganze Verantwortung obliegt jetzt anderen Coworkern und man selbst ist nicht mehr Teil des Ganzen.

Trotzdem war es schön die Kids nochmal zu sehen und vergleichen zu können, wie sie sich verändert haben. Auch hat man das Camphill und die ganzen Abläufe von außerhalb betrachten zu können, als Besucher und nicht als Coworker, was ich ziemlich interessant fand.

Mit einem Jahr Abstand sehe ich das Camphill selbst mittlerweile nicht mehr so negativ an, wie während des Jahres oder kurz danach. Insbesondere die negativen Erfahrungen, dass ich auch bei dem ganzen Frust durchgehalten habe, haben mir viel gebracht. Zwar hat das Camphill Jahr nicht viel daran geändert, dass ich „Wirtschaft“ studieren will, aber ich merke, dass viele meiner früheren Ansichten sich geändert haben und ich heute Prioritäten anders setze.

Schön ist auch, das ich dort Leute kennengelernt hab, die trotz heftigem Piesacken immer noch mit mir in den Urlaub fahren oder sich zum „Gossipen“ treffen. :)